Wege zum Erfolg, oder: Ein Guide für Mobile Apps mit Mehrwert

by Werner Sammer

Was müssen Mobile Apps können, um bei den Nutzerinnen und Nutzern akzeptiert zu werden? Und wie wird eine solche App konzipiert? Diese Frage möchte ich gemeinsam mit Gernot, Produktmanager von mysms, und Peter, Produkt- und Projektmanager für websms und sms.at,  klären.

Gernot am Handy

Gernot hat gute Tipps, die bei der Erstellung von Mobile Apps helfen

Auch dafür gibt es eine App! Alleine dieser Spruch, der durch einen namhaften Soft- und Hardwarehersteller aus Cupertino in den USA geprägt wurde, zeigt, welchen Einfluss mobile Anwendungen auf unser tägliches Leben haben. Smartphones und deren Anwendungen haben den Lebensstil der heutigen Gesellschaft maßgeblich geprägt. Das machen sich gewiefte Programmierer zunutze und arbeiten fleißig an neuartigen Ideen. Was jedoch bei vielen App-Programmierern außen vor bleibt, ist die passende Strategie und der Fokus auf das Wesentliche.

Ich habe mit Gernot und Peter darüber gesprochen, wie man eine erfolgreiche App konzipiert. Als Produktmanager sind sie einerseits verantwortlich für die Produktentwicklung und andererseits die Schnittstelle zwischen dem Marketing und den Entwicklern – ihr Know-How macht die Apps von Up to Eleven zu wertvollen Begleitern für ihre Benutzer. An dieser Stelle geben sie Tipps, die man beachten sollte, wenn man sich ans Programmieren macht.

 

Die eigene USP im Fokus

Als Allererstes erfahre ich Folgendes: Im Mittelpunkt der ersten Überlegungen steht die sogenannte USP, die Unique Selling Proposition. Welche Eigenschaften machen die eigenen Apps einzigartig? Welches spezielle Problem will man lösen? Diese großen Fragen muss sich das Team rund um die App-Entwicklung stets stellen.

Warum das notwendig ist, zeigt sich alleine an diesen Zahlen: 1,3 Millionen Apps im Google Play Store, 1,2 Mio. im Apple App Store und selbst im Windows Phone Store muss die eigene App mit 300.000 weiteren konkurrieren [Stand jeweils Mitte 2014]. Die eigene App muss sich also notwendigerweise von anderen unterscheiden – sei es durch Funktion, Design oder einfach dem Lifestyle. “Das Wissen über die eigene USP ist entscheidend, da man oftmals nicht der Erste mit einer bestimmten Idee ist”, erklärt mir Gernot dabei im Gespräch.

Jedenfalls legt man nicht planlos mit der App-Entwicklung los, ohne sich im Vorfeld ein gutes, ganzheitliches Konzept überlegt zu haben. Dieses muss dabei nicht hoch kompliziert, sondern einfach nur gut strukturiert sein. Im Fokus bleibt der Mehrwert des Kunden. Das Ziel sollte es sein, dass die Kunden die App nützlich finden und sie auch noch länger nutzen.

 

Für wen soll die App eigentlich sein? – Die Zielgruppe

Doch wenn wir von Mehrwert des Kunden sprechen, müssen wir auch wissen, wer diese Kunden eigentlich sind und für wen diese App gemacht wird. Da die App meist einem bestimmten Zweck dient, wird vor der Umsetzung überlegt, welcher Bedarf gedeckt werden soll und wen das spezifische Problem betrifft. Dieser Bedarf erschließt oftmals eine bestimmte Zielgruppe. An dieser richtet sich dann das Design, die Usability, die Nutzersprache und auch die Kommunikation aus. Je genauer die Zielgruppe definiert ist, desto besser versteht man auch die Bedürfnisse der Kunden.

Die Zielgruppe der App wird bei Up to Eleven bereits im Vorfeld durch das Marketing-Team analysiert. Dafür werden verschiedenste Marktanalysen durchgeführt, klärt Gernot mich auf. Wenn man auf einen klar umrissenen Kundenkreis und eine darauf aufbauende App-Idee zurückgreifen kann, hat man bereits einen Startvorteil im Konkurrenzkampf gegen andere Apps.

 

Scribble it! Das App-Konzept

Hat man die Zielgruppe definiert, kann man sich ans Scribblen machen. “Es ist gut, wenn man sich am Zettel durchzeichnet, welche Funktionen die App haben soll”, sagt Gernot. Das Design der App ist in diesem Schritt noch nicht wichtig. Im Vordergrund steht, dass man sich über die Grundfunktionen Gedanken gemacht hat und diese zu Papier bringt. Die Aufgabe des Produktenwicklers in dieser Phase: die Requirements, also Hauptbedingungen oder -funktionen für die App festhalten.

Peter, der mir beim Interview gleich ein vollständiges Konzept zeigt, erläutert mir seine Herangehensweise: Er geht zunächst auf die Spezifikationen ein und hält diese textlich fest. Dabei reichen ihm Überschriften, die er später mit Inhalten befüllt. Zugleich setzt er sich Marker: Was gibt es noch zu tun? Wo gibt es Diskussions- und Klärungsbedarf? Diese Punkte markiert er sich farblich im Dokument und klärt diese anschließend mit den Entwicklern oder im B2B-Bereich auch mit den Kunden. Immer im Hinterkopf: Welches Ziel soll verfolgt werden und wen soll die App ansprechen?

Gernot rät jedenfalls, stets Kontakt mit dem Enwickler zu halten: „Reden ist das Um und Auf”. Gemeinsam wird die Produktidee besprochen und Knackpunkte geklärt. Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Umsetzung der neuen Ideen? Lässt sich die Idee vom Entwickler überhaupt umsetzen? Das Feedback des Entwicklers soll die Frage klären, wo die Grenzen der mobilen Idee sind.

 

Wireframing lautet das Zauberwort

Stellt man nach dem Gespräch mit dem Entwickler fest, dass die Idee umsetzbar ist, wirft sich der Produktmanager an das Wireframing. Was das ist? Beim Wireframing wird die Idee der App in einem Konzept festgehalten, das wie eine Bleistiftzeichnung wirkt. Es dient dazu, sich erste Vorstellungen der App zu machen und diese auch bildhaft darzustellen. Ein Funktions-Layout also. Das kann mit einem Scribble-Tool gemacht werden.

Als Scribble-Tool benützt Gernot balsamiq. So kann er sich schnell ein App-Konzept erarbeiten und die grundsätzliche Funktionalität aufzeigen. Das Konzept wirkt mit dem vorhin genannten Bleistiftstil, als befände es sich noch im Draft- oder Alpha-Stadium. Was durch das Gezeichnete verdeutlicht wird: Man befindet sich noch im Ideenprozess – es soll dabei noch kein funktionierender Prototyp entstehen. Deshalb positioniert Gernot nur die Hüllen, also Platzhalter für Texte, Icons, Bilder, Menüpunkte usw., damit er dem Designer die Usability der App vorgeben kann, ohne ihn oder sie durch seine eigene Designvorgaben einzuschränken. “Man schreibt grob nieder, was auf dem Screen passieren soll”, fasst er es kurz. Soll ein Button auf eine neue Seite führen, wird das im Draft gekennzeichnet. “Der Designer soll damit einfach wissen, was für die App wichtig ist und wie sie funktioniert.” Danach kann sich der Designer an seine Arbeit machen.

Peter stellt Konzept vor

Peter (2.v.l.) findet den Austausch zwischen Produktentwickler und Designer wichtig

 

Detail für Detail – Screens und Storyboards

Aus der Zusammenarbeit zwischen Designer, Entwickler und Produktmanager entstehen detaillierte Screens. Diese werden stets intensiv mit den Entwicklern besprochen. Das Feedback aus dem Gespräch klärt, ob der Entwickler auf Standard-Elemente aus Android oder iOS zurückgreift oder mit individuellen, innovativen Lösungen für die App zusätzlichen Programmieraufwand einrechnen muss. Warum das klärende Gespräch unbedingt notwendig ist, erklärt mir Gernot so: “Der Entwickler sieht seinen Use Case und denkt immer anders als der Produktentwickler. Der Produktentwickler muss jedoch alle Use Cases abdecken, die von den Usern stammen.”

Um in dieser frühen Phase das App-Konzept gut zu visualisieren, zieht Gernot Storyboards heran. Diese sind grobe Beschreibungen darüber, was in der App passieren soll und bildet die wichtigsten Use Cases ab. Auf die Detailspezifikationen geht der Produktentwickler erst dann ein, wenn er vom Designer und den Entwicklern erste Entwürfe erhält. Der Produktautor schreibt das Produktkonzept und überlegt dabei alle Eventualitäten, um ein perfektes Konzept zu erstellen. Die Detailspezifizierung enthält alle Infos, damit der Entwickler ohne Unterstützung des Produktentwicklers am Code arbeiten kann und alle vorangehenden Fragen zum App-Konzept geklärt sind.  Dies inkludiert natürlich auch viel Komplexität und unter Umständen eine lange Entwicklungszeit.

 

Geht es einfacher?

Ist das Produkt komplett spezifiziert, wirft Gernot gemeinsam mit dem Entwickler einen Blick über das gesamte Konzept. Geht es einfacher? Der Produktmanager erklärt dem Entwickler seine App-Idee in allen Details. Durch dieses wichtige Review erhält der Produktmanager vom Entwickler Feedback darüber, in welchen Arbeitsschritten viel Aufwand steckt. Er erfährt auch darüber, ob bestimmte Funktionen für die App notwendig oder nicht notwendig sind. Das Ziel: Die App derart an der USP ausrichten, dass sie diese wirklich zu 100 Prozent erfüllt. In vielen Fällen ist es daher sinnvoll, auf komplizierte Funktionen zu verzichten und die App auf das Wesentliche zu reduzieren.

Auch Applikationen mit weniger Komplexität erfordern viel Programmieraufwand. Deshalb ist es besser, die Apps klein zu halten und Funktionen auf mehrere Releases aufzuteilen, meint Peter. Eine Funktionalität perfekt umsetzen – das ist das angestrebte Ziel. Kleine, intuitiv verständliche Produkte mit unmittelbarem Kundennutzen statt mächtigen Alleskönner-Apps – so verliert man den Fokus nicht aus den Augen.

„Man sollte den Mut haben, Nice-to-have-Features wegzulassen“, sagt Gernot und überrascht mich damit ein wenig. Ein kleines Beispiel? “Das Schreiben und Senden von SMS bei einer App, die SMS versenden soll, ist wichtig, da das die Hauptfunktion der App ist. Sollen die SMS auch weitergeleitet werden, kann das in einem späteren Release nachgeholt werden”. Manche Features mögen zwar die Funktionsweise der App abrunden – beispielsweise kann man sich dadurch Zeit ersparen -, im Mittelpunkt der Betrachtung bleibt jedoch immer die USP und die daraus abgeleitete Hauptfunktion der App. Es sei wichtig, mit dem Kernprodukt schnell in den Markt zu gehen, um Erfahrungen zu sammeln und das Feedback und weitere Funktionen in späteren Versionen einbauen, betont Gernot. So sieht man auch, ob neue Funktionen von den Kunden überhaupt angenommen werden.

Für jede Release-Version finden diese Überlegungen immer wieder statt. “Nach jeder Iteration, jeder Aktualisierung, soll eine funktionierende Version entstehen”, betont auch Peter die Konzentration auf die Hauptfunktionen. Während der Programmierung wird der Stand der Programmierarbeiten stets überprüft – das ermöglicht die  sofortige Korrektur von Missverständnissen. Häufiges Testing ermöglicht es auch, dass man sich am vorgegebenen Ziel orientiert und den Fokus nicht verliert. Ebenso bedeutsam: die einfache und selbsterklärende Bedienung der App. Die App sollte in jeder Situation intuitiv nutzbar sein.

Eine erfolgreiche App ist einem stetigen Entwicklungsprozess unterworfen, was Update-Intervalle sehr individuell und marktabhängig macht. Erfahrungen im B2C-Bereich zeigen: Bei Apps sollte zumindest pro Quartal ein kleines Update veröffentlicht werden. Größere Updates – vielleicht auch mit neuem Design – einmal pro Jahr. Populäre Apps wie Facebook und WhatsApp bringen nahezu 14-tägig ein Update. Hier müssen jedoch auch die zeitlichen und finanziellen Ressourcen berücksichtigt werden.

 

Modularer Aufbau hat klare Vorteile

Einen speziellen Tipp gibt Peter für alle Entwickler und Programmierer mit: “Wenn man modular programmiert, spart man auf längere Frist Zeit und Programmieraufwand”. Funktionen, die nicht oder erst später für die App benötigt werden, können in einer Bibliothek abgelegt und für andere Projekte wiederverwendet werden. Das heißt konkret: Passt eine Funktion nicht zur Grundidee und USP der aktuellen App, kann der Programmiercode jederzeit für andere Projekte verwendet und diese Funktion per Modulbausatz in eine andere App integriert werden.

Damit ein Projekt flexibel und skalierbar bleibt, empfiehlt Peter die Zusammenfassung einzelner Features in Tickets. Diese Tickets dienen den Programmierern dazu, sich nur mit bestimmten Features bei der Programmierung auseinanderzusetzen. Sie beinhalten also kleine testbare Programmierbrocken, bei denen der Entwickler stets weiß, was zu tun ist. Der zuvor festgelegte Fokus auf die USP geht dadurch nicht verloren.

 

Kundenfreundlich muss es sein

Das User-Feedback darf ebenfalls nicht unterschätzt werden. Dass nicht nur das technologische Konzept zählt, bestätigt mir Peter. Man müsse vor allem im B2B-Bereich das Konzept gut aufbereiten. Macht man Auftragsentwicklung, so sollte beim Konzept das gemeinsame Verständnis darüber, was die App können muss, im Vordergrund stehen. Versionsnummern stellen sicher, dass man auch vom selben Konzept spricht und Kunde und Produktentwickler die selbe Version des App-Konzeptes in Händen halten.

Bei Projekten mit externen Partnern ist die möglichst frühe Einbindung der Partner in die Planung essenziell. Sie werden bereits in frühen Gesprächen mit den Funktionen konfrontiert. Zudem wird der Stand der Entwicklung geprüft und in Diskussionen geklärt, ob die bisherige Ausrichtung der App für die Partner passend ist. Wichtig ist jedoch, nicht allzu früh mit Prototypen anzurücken: Ein scheinbar “fertiges Design” suggeriert dem Kunden ein falsches Bild vom Entwicklungsstand der App, der auf die App gar nicht zutrifft. Mit Konzeptbildern und Scribbles kann auch der Kunde das Ausmaß der Entwicklungsarbeit besser abschätzen.

 

Redesigns: Vorsicht!

Das Thema Redesign ist nicht nur bei Kunden heikel. “Die Nutzer arrangieren sich mit dem Produkt und wollen die Gewohnheit nicht verlassen”, meint Gernot zu diesem Thema. In den ersten Tagen nach dem Release eines neuen Designs zeigen sich starke Reaktionen – positiv wie negativ.

Grundsätzlich gilt bei Redesigns: Auf gelernte Fähigkeiten kann man leichter aufbauen. Änderungen, die auf Erfahrungen mit Usern basieren, werden leichter akzeptiert. Was heißt das? Die meisten Menschen, die Smartphones täglich nutzen, wissen, mit welcher Geste man üblicherweise ein Bild vergrößert. Das Pinch-to-zoom (jene Bewegung, mit der man mit zwei Fingern am Display zusammen- und auseinanderzieht) hat sich als Standard etabliert. Möchte man eine neue Geste dafür etablieren, bedeutet das vor allem großen Erklärungsbedarf bei den Nutzern. Daher Gernots Tipp: “Die User Experience möglichst einfach machen, indem man auf bekannte Gesten und Kommandos aufbaut”.

Ein anderes Beispiel: Neuartige Icons oder Symbole für das Speichern oder Teilen von Inhalten stiften eher Verwirrung, als dass sie einen Nutzen bringen. Der User muss sich in der App zurechtfinden können und nie überlegen müssen, wo gewisse Features versteckt sind. Besser, man bleibt traditionell und verwirrt dadurch seine Kunden nicht.

 

Betriebssystem und Budget beachten

Betriebssystem und Budget sind zusätzliche Faktoren, die die Planung jeder App beeinflussen. Dass nicht jedes Betriebssystem unterstützt werden kann, erscheint aufgrund des erhöhten Programmieraufwandes ohnehin verständlich. Mit Nutzungsstatistiken kann man das gegenüber Kunden im B2B unterstreichen. Im B2C orientiert man sich ohnehin meist an den häufig genutzten Plattformen.

Beim Budget gilt hingegen grundsätzlich: Je komplexer die App, desto mehr Arbeitsstunden werden aufgewendet und desto höher sind die Programmierkosten. Wendet sich die App zudem an die große Masse, ist ein Marketing-, PR- und Social- Media- Budget unerlässlich, um die Bekanntheit der App zu steigern.

Spricht man von Budget, darf man auch den Faktor Zeit nicht außer Acht lassen. Bei zeitlicher oder budgetärer Knappheit nennt Peter drei Wege zur Lösung des Problems: Ressourcen erhöhen (also mehr Programmierer für das Projekt engagieren), die Deadline verlängern oder den “Scope” ändern. Dabei werden unwichtige Funktionen gestrichen oder Funktionen mit geringerer Priorität später nachgereicht. Wie wir weiter oben schon festgestellt haben, kann dies durchaus Vorteile haben.

 

Lerne von deinen Erfahrungen

Erfolgsmessung bei Apps wird immer noch häufig vernachlässigt. Der Blick auf die Unique-App-User und die Nutzungszeiten kann bereits wichtige Informationen liefern, wie man seine Kunden noch besser und gezielter ansprechen kann. Und man kann vielleicht schon im nächsten Update auf Kundenwünsche reagieren. Es geht nämlich nicht nur darum, Fehler zu beseitigen oder an der Usability zu schrauben, sondern auch darum, den Mehrwert für den Kunden zu steigern.

 

Von den beiden Produktmanagern Peter und Gernot habe ich vieles zur Entwicklung von Mobile Apps erfahren und ordentlich viel Know-How bekommen. Vielen Dank an euch!

Hast du Fragen zum Budget für eine mobile Applikation? Dieser Artikel von Chip.de klärt auf. Weitere Tipps zur Konzipierung und Programmierung einer tollen App findest du noch auf den Seiten der Gründerszene.de oder in diesen Artikeln auf Yuhiro.de.

Dieser Guide soll eine hilfreiche Tipp-Sammlung für App-Entwickler sein, um erfolgreich am Markt zu sein. Viel Erfolg mit deiner eigenen App!