In Startup-Kreisen wird nicht selten Buzzword-Bingo gespielt. Mit Begriffen wie A/B-Testing, Iteration oder Traction fangen viele außerhalb der Szene relativ wenig an – um nur wenige zu nennen. Unter diese Begriffe mischt sich auch das ominöse und beinahe schon omnipräsente „Growth Hacking“. Was hat es damit auf sich und wird dabei wirklich gehackt? Wir wollen heute gemeinsam das Geheimnis lüften.
Gleich zuallererst: Nein, es wird nicht wirklich gehackt. Zumindest nicht im klassischen Computer-Hacker-Matrix-Style. „Hacking“ kann man hier am besten so verstehen, dass man über den Tellerrand schaut, oder neudeutsch „Out-of-the-box“ denkt. Kreative Ansätze sind gefragt. Mit „Growth“ soll zusätzlich schnelles Wachstum erreicht werden.
Das aber ist noch keine vernünftige Erklärung für dieses Internet-Phänomen, also – was versteht man unter Growth Hacking?
Was bedeutet Growth Hacking eigentlich?
Mit dem Begriff „Growth Hacking“ bezeichnet man eine Marketing-Technik für Startups. Sie wurde für schnell wachsende Unternehmen entwickelt, um mit kreativen Herangehensweisen, tiefer Zahlenkenntnis und dem Einsatz von Social Media
- schnell Bekanntheit zu erlangen,
- Besucherzahlen und Klicks extrem zu steigern und
- im Endeffekt mehr von seinen Produkten/seiner Dienstleistung abzusetzen.
Berühmt-berüchtigt unter den Growth Hackern ist Sean Ellis. Er ist quasi der Vater des Begriffs und hat schon für Dropbox, Eventbrite und LogMeIn gezeigt, was er kann. Seine Defintion? „A growth hacker is a person whose true north is growth.“ Ein Growth Hacker ist somit jemand, dessen Hauptziel Wachstum ist.
Nun wissen wir also: Growth Hacker streben starkes Wachstum an. Das jedoch ohne große Budgets und feste Strukturen, dafür jedoch mit umso intelligenteren Marketingkonzepten. Das Online-Marketing liegt dem Growth Hacker im Blut – Daten zu erheben und Zahlen zu analysieren hat er perfektioniert.
Gelingt es deinem Startup, möglichst viele Nutzer mit Growth Hacking zu erreichen, dann kann aus dem kleinen Spieler recht rasch ein Big Player werden. Bevor jetzt die Meinung aufkommt, Growth Hacking sei eben nur ein Buzzword aus der Startup-Szene und ohnehin nur ein weiteres Marketing-Tool: Nein, ist es nicht!
Growth Hacking als Technik für Allrounder
Growth Hacking ist die Fusion zweier Bereiche, die zuvor ausschließlich separat betrachtet wurden:
- das Marketing
- und das Engineering (bestehend aus Programmierung und Datenanalyse)
Ein Growth Hacker ist also weder ein klassischer Marketeer, noch ein Programmier-Spezialist – er ist ein Allround-Genie. Jemand mit fundiertem technischen Know-How, aber auch mit dem Gespür eines Marketing-Experten. Als wahrer Hacker schafft er es, diese doch sehr unterschiedlichen Skills zu vereinen, um damit das Marketing über diverse Kennzahlen zu pushen.
Wie bindet sich Growth Hacking nun in die Sichtweise des Marketings ein? Ian Chan hat auf seinem Blog ein übersichtliches Venn-Diagramm erstellt. Growth Hacking ist also nicht nur „Performance-Marketing“ und Mittel zum Zweck, sondern vielmehr Wachstumsmotor:
Die Liebe zu Marketing und die Fähigkeit zu programmieren ergeben vereint neue Möglichkeiten, Wachstum zu gestalten. Growth Hacking ist ein neues Feld, bei dem sich viele Experten einig sind: „Growth Hacking is here to stay“. Heißt im Klartext: Growth Hacking ist kein schlichter Trend, sondern wird auch weiterhin das Marketing der Zukunft (mit-)bestimmen.
Spannend wir es vor allem dann, wenn immer mehr Nicht-Coder beginnen, selbst zu programmieren. Mattan Griffel zeigt dir, wie du dir selbst beibringen kannst, zu coden.
Rasantes Wachstum im Vordergrund
Growth Hacking ist mittlerweile auch in österreichischen Startup-Kreisen angekommen.
- Usersnap
Als oberösterreichisches Startup (Perg ist vermutlich nicht jedem ein Begriff) versteht sich Usersnap beispielsweise großartig darin, mit viralen und informativen Blogbeiträgen Growth Hacking zu betreiben. - Bissanzeiger
Und noch ein österreichisches Beispiel: Bissanzeiger hat es mit geschicktem Social Media-Marketing auf 45.000 Likes auf Facebook gebracht. Das Rezept? Lasse deine User Bilder von ihren Angelerlebnissen öffentlich teilen – ein Konzept, das offenbar prima ankommt.
Wie so oft sind die Pioniere dieser Technik auf der anderen Seite des Pazifiks ausfindig zu machen. Auf Quora wurden die besten 10 Consumer Internet Growth Hacks zusammengefasst. Ein kurzer Auszug:
- Dropbox
Dropbox startete sein allseits bekanntes Empfehlungsprogramm: Wer Freunde von sich zum Cloud-Dienst einlud, erhielt wie auch sein Partner zusätzliche 500 Megabyte Speicherplatz in seiner Cloud. An den Universitäten machte Dropbox mit dem „Space Race“ von sich reden. Von September 2008 bis Jänner 2010 stieg die Nutzeranzahl von 100.000 auf 4 Millionen Nutzer. Das entsprach einem 15- bis 20-prozentigen Anstieg seit dem Start! - Instagram
Durch die bewusste Entscheidung, Dienste wie Facebook und Twitter tief in ihre Algorithmen zu integrieren, verschaffte sich Instagram von Start an einen ordentlichen Schub an Wachstum. - Pinterest
Bei Pinterest folgst du gleich nach der Anmeldung einigen selektierten Gruppen von Usern automatisch. Dadurch überwindest du die erste Phase, in der du noch keine Leute und Seiten hast, denen du folgen willst und du danach aktiv suchen musst. So ist dein Feed bereits mit einigem für dich interessanten Content gefüllt.
So treibt ein Growth Hacker das Startup-Wachstum an
In drei Schritten kurz erklärt:
- Er entwickelt zuerst das Kernprodukt,
- damit er dann den Produkt-Markt-Fit herstellen kann
- und mit Growth Hacks immer mehr User auf das Produkt aufmerksam macht.
Geschwindigkeit und schnelle Reaktion haben in diesem Prozess oberste Priorität. Nicht funktionierende Growth Hacks werden rasch analysiert und angepasst, im schlimmsten Falle verworfen. In perfekter Abstimmung mit seinen Kennzahlen (ich habe erst kürzlich einen Artikel über wichtige KPI verfasst) will der Growth Hacker sein Ziel, starkes Wachstum zu schaffen, erreichen.
Hartley Brody sieht seine Rolle als Growth Hacker beispielsweise folgendermaßen:
- Tools entwickeln, die sowohl die Visits/Leads antreiben und Kunden anlocken
- Genau in seine Zahlenbasis blicken, um interessante Trends und Statistiken zu erkennen
- Langweilige Dinge automatisieren, damit sich jeder darauf konzentrieren kann, ein guter Marketer zu sein
Last Statements
Was bleibt zu sagen? Growth Hacks eignen sich hervorragend für Produkte von Startups, um sie schnell „zum Fliegen zu kriegen“. Dabei hilft die zahlenorientierte Herangehensweise, schnell auf Fehlentwicklungen zu reagieren. Growth Hacking wird das Online-Marketing nicht ersetzen, aber langfristig verändern. Marketer werden zukünftig direkt mit Entwicklern zusammenarbeiten, um optimale Ergebnisse zu erzielen.
Wer Lust auf mehr Infos zu Growth Hacking bekommen hat, kann sich in die schön zusammengefassten 35 Growth Hacking-Tools von KissMetrics einlesen. Vielleicht ist etwas für euch dabei. Und wer etwas länger Zeit hat, kann sich die Keynote von Neil Patel (Co-Founder Kissmetrics) am Pioneers Festival ansehen (von ihm gibt es übrigens auch einen wirklich ausführlichen, 10 Kapitel langen Guide fürs Growth Hacking). Zuguterletzt unterstützen zahlreiche Spezialisten beim Growth Hacking.
Bilder: Sketchnote: Growth Hacking by Bill Rice, used under CC BY 2.0, www.theianchan.com