Lean Startup Machine Graz – Ein intensives Wochenende im Rückblick

von Werner Sammer

Ein aufregendes Startup-Wochenende liegt hinter uns. Bei der Lean Startup Machine Graz im Styria Media Center waren Einsatz, einiges an Ellbogenschmalz und schnelle Entscheidungen gefragt. Mit lehrreichem Kundenfeedback ausgestattet, holte sich unser Produktmanager Gernot mit seinem Team AbPicker den Sieg beim Event. Eine spannende und bleibende Erfahrung!

Die AbPicker mit Gernot, unserem Produktmanager bei UT11, holten sich den Sieg.

Was ist denn überhaupt die Lean Startup Machine? 48 Stunden intensives Lernen und Testen! In dieser kurzen Zeit bekommst du die Mittel, um deine Geschäftsidee sehr schnell zu testen. Funktioniert deine Idee wie geplant? Innerhalb eines Wochenendes testeten über 70 TeilnehmerInnen aus verschiedenen Startup-Teams, ob ihre Produktidee ein existierendes Nutzerproblem löst. Darum galt es, durch Customer Development die Produktidee zu validieren. Das Motto: Get out of the Building! Und das war ziemlich wörtlich gemeint!

Die MentorInnen motivierten die Teams zu Höchstleistungen. In Vorträgen und mit persönlichem Mentoring wurden die Teams beim Verständnis der Lean-Methode unterstützt. Mit dem praktischen Javelin Board wurde daran gearbeitet, die Idee zu validieren. In der Slideshare-Präsentation wird erklärt, wie das Board funktioniert.

 

Gernots Learnings mit dem Siegerteam AbPicker

Als Sieger des dreitägigen Events kann sich unser Produktmanager Gernot bezeichnen. Mit seinem Team konnte er seine Startup-Ideen am besten validieren.

Die AbPicker – bestehend aus Gernot Reiber, Max Weichert und Thomas Lechner – bieten wohl das komfortabelste Service, wenn es ums Ausmalen des Zimmers geht. Die richtige Farbe kaufen und anliefern, die benötigten Malutensilien (Pinsel, Abstreifgitter usw.) mitbringen und vor allem das mühselige Abkleben von Kanten und Ecken – das alles erledigen die AbPicker für dich. So musst du als Kunde nur mehr ausmalen – den harte Teil der Neudekoration des Zimmers übernehmen die drei Jungunternehmer.

titelbild_abpicker

Die Website der AbPicker

Aber wie kam es zu dieser phänomenalen Idee? Ein Rückblick auf das Wochenende:

 

Freitag

Am Freitagabend des 05. Feber startete die Lean Startup Machine Graz. Nach einer kurzen Vorstellung des Events durften die 70 TeilnehmerInnen ihre Ideen pitchen – sofern sie bereits eine Idee hatten.

50 Sekunden hatte Gernot Zeit für den Pitch. Nachdem alle Ideengeber gepitcht hatten, ging es an das Teambuilding. Voraussetzung: mindestens 2 Personen, maximal 5. Gernots ursprüngliche Idee fand jedoch nicht den erwünschten Anklang und somit auch keine Mitstreiter. Somit schloss sich unser Produktmanager dem Team von Thomas Lechner an. Thomas‘ Idee: Wandfarbe so zu verbessern, damit sie beim Auftragen auf die Wand nicht spritzt.

Gernot hat bereits Erfahrung beim Ausmalen von Zimmern gemacht und konnte für sich selbst einige Dinge nennen, die ihn persönlich besonders nervten. Er dachte sich: sieht man sich den gesamten Prozess des Malens an, müsse es doch sicherlich ein Potenzial für Verbesserungen geben. Und wollte daher sein Know-How in diese tolle Idee von Thomas miteinbringen. So weit, so gut.

Das Team rund um Ideengeber Thomas, Gernot und Max bei der Arbeit (v.l.)

So wandten sich die AbPicker (sie hatten mittlerweile einen Namen gefunden) am späteren Abend dem Javelin Board zu. Über Experimente (Kundenbefragungen) mit verschiedenen Kunden, Problemen, kritischen Annahmen und bestimmten Erfolgskriterien wollten die drei ihre Idee am Kunden antesten. Beim Brainstorming erkannten sie so einige Probleme, doch als größter Pain Point stellte sich eines heraus: das Abkleben jener Stellen, die nicht bemalt werden sollten. Mühsam, nervig, wenig unterhaltsam.

 

Samstag

Die Teams der LSM gingen auf die Straße, die Einkaufsmeilen entlang, in Schwimmbäder und zu Autohändlern, um ihre Zielgruppe zu suchen und sie direkt anzusprechen. Empfinden die potenziellen Kunden das erkannte „Kundenproblem“ denn wirklich als Problem? Und würden sie für die Lösung des Problems denn zahlen? Für diese Befragungen musste der eine oder andere Teilnehmer doch recht weit aus seiner Komfortzone heraustreten. Aber diese intensive Arbeit hat sich sicher gelohnt.

Die am Vortag getroffenen Annahmen wollten die AbPicker nun bei potenziellen Kunden verifizieren. Dazu haben sie sich ausgeklügelte Interviewfragen einfallen lassen:

  • Zunächst wollten die Drei von den Befragten wissen, ob sie bereits einmal eine Wand bemalt oder ein Zimmer ausgemalt haben.
  • Danach ließen sie sich die Schritte aufzählen, die vom Entschluss, ein Zimmer auszumalen, bis zum letzten Pinselstrich gingen. So konnten die AbPicker erkennen, welche Punkte den Kunden besonders im Gedächtnis hängenbleiben.
  • Auf die Frage, was denn beim Malen am meisten Spaß mache, antworteten die Leute entweder mit „Malen“ oder „alles danach“. Auch das war für das Team aufschlussreich.
  • Schließlich wollten die AbPicker noch wissen, was den Leuten am wenigsten Spaß mache. Und tatsächlich: 14 von 20 Leuten nannten das Abpicken. Problem validiert!

 

Die Teams folgten dem Motto des Events und interviewten potenzielle Kunden in „freier Wildbahn“ © Lean Startup Machine Graz, Facebook

Zurück im Styria Media Center wurde nun an Lösungen gebrainstormt. Da war zunächst die Idee eines Geräts, das das Abpicken erleichtert. Das Team fühlte sich bei der Recherche auf einem guten Weg, bis sie von einem Mentor gestoppt wurden. Denn der Lean Startup-Gedanke besagt: Teste, ob du das „Produkt“ verkaufen kannst. Also weg von Produktentwürfen und hin zu einem Kundenservice – wir erledigen für Sie das Abkleben!

Also ab in die Farbabteilung eines Baumarktes und dort Kunden seine Leistungen anbieten. Das Angebot: Die AbPicker erledigen kostenlos das Abkleben. Die AbPicker fragten spätabends 5 Kunden, ob sie Interesse an solch einem Service hätten. Fehlanzeige! Gernot fühlte sich zunächst als Verlierer. Und dennoch nahm er einige Learnings daraus mit:

  • Fail fast! Die AbPicker erkannten: einige Leute bemalen lediglich eine Wand. Je größer die zu bemalende Fläche, desto eher wird ihr Service benötigt.
  • Im Baumarkt erreichten sie die falsche Zielgruppe. (Junge) Frauen hatten offensichtlich Spaß am Abkleben. Und wer noch nie ein Zimmer ausgemalt hat, kennt das Problem nicht.
  • Wenn Personen bereits eine Farbe im Baumarkt kaufen, ist das Service der AbPicker nicht mehr nötig. Die Abfolge der Arbeitsschritte ist bereits gedanklich fixiert. Daher muss eine andere Zielgruppe angesprochen werden.
  • Und der wichtigste Punkt: das Abkleben alleine ist für ein Service zu wenig. Deswegen erweiterten die AbPicker ihr Service. Nun nahmen sie ihren Kunden alle Schritte vor dem Malen ab. Das sollte sich schlussendlich bezahlt machen!

 

Diese wichtigen Learnings integrierten Gernot und sein Team in das Konzept.

 

Sonntag

Die AbPicker wollten ihr Service nun online anbieten, um auf Kundenfang zu gehen. Dazu haben sie über Nacht in kürzester Zeit eine wunderbare Landingpage mit allen nötigen Infos und schönen Stockfotos online gestellt. Erst 3 Stunden vor dem finalen Pitch war die Website live geschaltet.

Die Resonanz war großartig:

  • 350 Unique User innerhalb von 3 Stunden
  • 20 Facebook-Likes
  • 8 Shares auf Facebook, u.a. auf Der Brutkasten, IdeenTriebwerk Graz und Kreatives Österreich
  • und bis zu 25 Likes auf einzelne Berichte.
website_ap

Screenshot der Website © Die AbPicker

So kamen innerhalb von 3 Stunden ganze 6 Anfragen für das Service herein! 4 Aufträge nahmen die AbPicker an, ein Geschäft konnte sogar noch am Sonntag abgeschlossen werden. Das nennt man Commitment! Im finalen Pitch gaben die drei Gründer dann alles und holten sich damit den Sieg.

Der siegbringende Pitch von Gernot und den AbPickern.

 

Gernots Fazit

Wie lautet Gernots Fazit für das Wochenende? „Es war ein unglaublich spannendes und intensives Event mit dem richtigen Startup-Spirit. Wir sind zum Teil mit unseren Annahmen schnell gescheitert, haben jedoch viel daraus gelernt.“

Gernot ist mit der Idee aber noch nicht am Ende. „Wir haben mit AbPicker noch kein Businessmodell, bieten aber unser Produkt um einen geringen Preis an (1 Euro pro m² Wandfläche). So können wir ablesen, ob die Kunden auch bereit sind, zu zahlen. Wenn wir nach diesen ersten Kunden wissen, welche Leistungen von uns erwartet werden, dann kann man ein gutes Businessmodell daraus machen“, glaubt Gernot.

Mit heutigem Tag haben die AbPicker fast 15 Anfragen zu bearbeiten. Da die ersten 10 Kunden kostenlos das Service nutzen dürfen, konzentriert sich das Startup hier auf folgende Dinge:

  • Warum wurden die AbPicker bestellt?
  • Was sind die Erwartungen der Kunden?
  • Welche Zielgruppe spricht man tatsächlich an? Vielleicht ist sie bisher gar nicht bekannt…

 

Das Team hat sogar einen eigenen Artikel auf Der Brutkasten bekommen. Respekt! Dafür sind die AbPicker bereits heute Vormittag fleißig am Abkleben der ersten Wohnung 🙂

Was wir (ich als stiller Beobachter) jedenfalls aus dem Wochenende mitgenommen haben: man lernt viel über sich, über das Produkt und auch über Kundenentwicklung. Auch wenn es ein manches Mal vielleicht Überwindung benötigt (Kunden direkt ansprechen!), so findet man doch erste Kunden und kann seine Idee validieren. Vielen Dank an die Organisatoren von lab10, die dieses Event möglich gemacht haben!