Mut zur Veränderung oder warum Scheitern zu jedem Startup gehört

von Angela Feiner

Nach monatelanger harter Arbeit ist es soweit. Der Tag an dem unsere SMS App mysms ein neues Design bekommt ist da. Anfangs läuft alles perfekt. Finale Tests, letzte Vorbereitungen, Hochladen der neuen Version und vor allem große Aufbruchsstimmung im Team. Dann das Warten auf die ersten Kommentare auf Google Play, und die treffen uns mit voller Wucht. Viele unserer User sind nicht begeistert, wie erwartet, sondern verärgert. Nicht nur auf Google Play melden sich kritische Stimmen, auch unser Emailpostfach läuft über. Wir sehen ein, wir haben einen Fehler gemacht und müssen reagieren.

Die mysms Android Apps im Material Design

Die mysms Android Apps im Material Design

Wünscht man sich ein solches Feedback? Natürlich nicht! Besonders nicht an einem Tag auf den man monatelang hingearbeitet hat. Trotzdem gehört Scheitern zu jedem Startup, auch zu uns und gerade in Österreich wird noch immer zu wenig darüber gesprochen. Aus Fehlern lernt man am meisten, und genau deshalb möchten wir unsere Erfahrung mit euch teilen.

 

Mut zur Veränderung

Niemand mag Veränderung. Bekanntes schafft Vertrauen, gibt Sicherheit und lässt uns effizient agieren. Ein neues Design trifft genau diesen empfindlichen Nerv und ist deshalb auch eine der größten Herausforderungen, vor denen ein Startup in der Produktentwicklung steht. Alles dreht sich um die Frage: „Mutig sein oder besser auf Nummer sicher gehen?“. Bei unserem Redesign für unsere SMS App mysms entschieden wir uns klar für Ersteres.

Als Google letztes Jahr das neue Android Material Design vorstellte, waren wir sofort begeistert vom neuen Look des Betriebssystems. Im Team war allen schnell klar, für mysms bedeutet Material Design nicht kleine, unbedeutende Anpassungen, sondern einen klaren Schnitt, der unsere Positionierung als innovative SMS App nachhaltig stärken sollte. Dass eine solche Entscheidung nicht ohne Risiko ist, kennen wir zu genüge aus der Praxis, denkt beispielsweise an die lautstarke Kritik zum Launch von iOS7 oder die Vorwürfe beim Logo Redesign von Airbnb.

Vorher-Nacher-Vergleich

Vorher-Nacher-Vergleich

 

Klare Vorgaben durch Spielregeln

Wie bei jedem Projekt, setzten wir uns selbst einige Kriterien (oder besser gesagt Spielregeln), die uns einen klaren Rahmen vorgaben, in dem wir arbeiten konnten. Beispielsweise waren das die exakte Einhaltung der Google Richtlinien zu Material Design, eine einfache Strukturierung der Einstellungen durch eine Sidebar und die Eliminierung der Nachrichten-Bubbles.

Grund für solche „Spielregeln“ ist die Natur eines Redesign-Projekts. Zum Thema Design hat jeder seine ganz persönliche Meinung und klare Vorlieben. Bei einer App wie mysms, mit der man tagtäglich unzählige Male mit seinen Kontakten kommuniziert, sind User besonders emotional involviert. Holt man die Meinung von zehn Personen ein, egal ob im Team oder unter unseren Usern, erhält man zehn unterschiedliche Feedbacks. Das macht es schlicht unmöglich jeden unserer zwei Millionen User zu 100% glücklich zu machen.

Ein wichtiges Learning haben wir jedoch in Vergangenheit für Designänderungen mitgenommen. Sind sich im Team alle über die „Spielregeln“ einig, läuft die Diskussion wesentlich konstruktiver. Aber genau an dieser Stelle ist uns bei dem neuen Design ein wesentlicher Fehler passiert. Die „Spielregeln“ wurden definiert, jedoch nicht diskutiert und waren somit unumstößlich. Ein kleiner Fehler, der sich im Nachhinein umso stärker auswirken sollte.

 

(Fast) alles läuft nach Plan

Die Projektumsetzung verlief wie aus dem Lehrbuch. Milestones wurden definiert und eingehalten, die ersten Alpha-Tests konnten sogar eine Woche früher starten als geplant und es war genügend Zeit für einen zweiwöchigen Beta-Test eingeplant. In der Beta-Phase stellten wir das neue Design 300 mysms Usern zur Verfügung und holten umfangreiches Feedback ein. Es kamen einige kleine Fehler, viele positive Rückmeldungen und hier und da das Thema „fehlende Bubbles“. Da wir aber diesen Punkt nach wie vor nicht in Frage stellten, waren wir sicher und selbstbewusst, dass das neue Design bereit zur Veröffentlichung war.

Am Tag der Veröffentlichung dann das böse Erwachen. Die Masse unserer User war nicht gleichermaßen offen für ein Design ohne Bubbles, wie unsere Betatester es waren. Die Kommentare gingen von kritisch bis zu verärgert, manche User drohten sogar ohne die Bubbles zu einer alternativen App zu wechseln. Jene Kommentare, die sich nicht auf die fehlenden Bubbles bezogen, waren sehr positiv, deshalb war unsere erste Reaktion erstmal abzuwarten. Designänderungen sind schließlich eine höchst emotionale Angelegenheit.

Drei Stunden und unzählige Kommentare später hatten wir einen guten Überblick über das Feedback unserer User. Wir setzten ein Teammeeting an und beschlossen noch am selben Abend ein Update mit wichtigen Fehlerbehebungen live zu stellen. Unser heißestes Thema – die Bubbles – behielten wir genau im Auge, wollten jedoch keine voreiligen Änderungen vornehmen.

 

Lessons Learned

Wenige Tage später entschieden wir nach ausführlicher Analyse und Gesprächen mit Usern, die Nachrichten-Bubbles als optionale Einstellung wieder zu aktivieren. Seit dem hagelt es wieder Kommentare auf Google Play, dieses Mal jedoch sehr positive. Ganz unerwartet wird unser Mut auch noch von Google selbst belohnt. mysms wird aufgrund des neuen Designs weltweit gefeatured; etwas, das wir bis dahin noch nicht geschafft hatten. Wir sind mehr als zufrieden und haben einiges gelernt:

  • Mut ist wichtig, aber nichts geht über rasches Reagieren bei Fehlern.
  • Über Erfolg oder Scheitern entscheiden immer unsere User.
  • Beta-Tests begrenzen das Risiko, sind aber nicht immer repräsentativ für alle User.
  • Definierte Kriterien müssen zweimal hinterfragt werden, auch wenn das mehr Zeit beansprucht.
  • Für große Releases setzen wir auf Google Play zusätzlich „Staged Rollouts“ ein, wodurch wir neue Versionen vorab 10% oder 20% unserer User zur Verfügung stellen können.

 

Yeah, mysms wird im Google Play Store gefeatured

Yeah, mysms wird im Google Play Store gefeatured!