Warum der Businessplan einfach nicht zeitgemäß ist

von Werner Sammer

Dieses Thema wird von Experten in letzter Zeit kontrovers diskutiert. Die Frage lautet: Verdrängt das Business Model zunehmend den Businessplan? Wie notwendig ist heutzutage noch ein Businessplan? Kann ich auf Änderungen im Businessmodell schnell reagieren? Und gibt es noch andere Möglichkeiten als den Businessplan? Ein Einblick in die Sinnhaftigkeit des manchmal ungeliebten Schriftstücks.

Lieber ein gut durchdachtes Geschäftsmodell als ein Stapel an Businessplänen.

Der Businessplan hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Notwendigkeit entwickelt, wenn es darum geht, Kapital für sein Startup aufzutreiben. Doch Gründerinnen und Gründer sowie bekannte Startup-Experten zweifeln an, dass der Businessplan das Allheilmittel darstellt. Das Business Model rückt stärker in den Vordergrund. 3 häufig genannte Gründe, weshalb der Businessplan als Tool für Startups nicht mehr zeitgemäß erscheint und welche Alternativen es dazu gibt:

 

#1: Der Businessplan wird von kaum jemandem gelesen.

Da hat man sich in mühsamer Kleinarbeit auch die allerkleinsten Details für den Businessplan durchdacht. Und dann liest ihn niemand. Oder fast niemand. Die meist sehr umfangreichen Papiere werden selten von den richtigen Leuten gelesen. Von jenen, die wirklich etwas entscheiden und die Chancen des Geschäftsmodells beurteilen können. Und das sind in der Regel (leider) keine Angestellten. Wenn die wirklich entscheidenden Personen (die Investoren selbst zB) über die Executive Summary hinaus lesen, dann kannst du das als Erfolg verbuchen.

Ja, Banken, Fremdkapitalgeber, Berater und auch der eine oder andere Investor fragen noch gerne nach dem Businessplan, wenn du Kapital benötigst. Sie sind auch heute noch der tatsächliche Grund, weshalb viele am Businessplan (noch) nicht vorbeikommen. Tatsache jedoch ist, dass durch den Boom von internetbasierten Geschäftsmodellen der Start eines Startups mit wenig Kapital möglich geworden ist. Wer also kein Fremdkapital braucht, braucht auch keinen Businessplan. Zumindest vorerst.

Vernünftiger erscheint es da, die ersten paar Euro und Stunden nicht ins Schreiben eines Plans zu investieren, sondern einfach zu starten, bevor man den aufwändig erstellten Businessplan aufgrund völlig vom Businessplan abweichender Marktverhältnisse entsorgen muss.

© Sebastien Wiertz, Flickr

 

#2: Annahmen ändern sich schneller als die (sprichwörtliche) Tinte am Businessplan-Papier getrocknet ist.

Grundsätzlich beruht ein Businessplan auf Annahmen. Mit diesen Annahmen kann man sich strukturiert mit seiner Geschäftsidee auseinandersetzen und sie schriftlich festhalten. Die getroffenen Annahmen sind gewissermaßen ein Bild der Zeit, in der der Businessplan entstanden ist. Hättest du dir vor 10 Jahren erträumt, wie sich das Internet weiterentwickeln wird? Würdest du dich heute an einem Businessplan orientieren wollen, der vor 10 Jahren geschrieben worden ist? Ich denke wohl eher nicht.

In einer Zeit, in der Startups mit disruptiven Technologien und Ideen ganze Branchen revolutionieren und das Internet sich verselbständigt (Internet of Things), ist Wandel zu einer beständigen Konstante geworden. Unter diesen Voraussetzungen von unveränderlichen Annahmen auszugehen und diese im Businessplan festzuhalten, ist schon fast fahrlässig. Manche Annahmen sind schon veraltet zum Zeitpunkt, wenn sie zu Papier gebracht werden.

Lean Startup-Vorreiter Steve Blank wird oft mit folgenden Worten zitiert: “No Businessplan survives the first contact to customer”.

Und Business Model Canvas-Guru Alexander Osterwalder sagte 2011 in einem Interview: „Ich denke, Businesspläne sind sehr starr (…) Ich glaube, es realisieren auch immer mehr Unternehmer, aber auch Investoren, dass es keinen Sinn macht, sich an einem Planungsdokument festzuhalten, in einer Welt, in der man nicht planen kann.“

Ich kann Herrn Osterwalder auch darin zustimmen, wenn er meint, dass sich Investoren sehr wohl dessen bewusst sind, was die Zahlen hinter dem Businessplan bedeuten. Heißt konkret: Sie wissen, dass die angeführten Zahlen nicht selten unrealistisch sind und im Laufe der Zeit, spätestens aber bei einer Umstrukturierung des Unternehmens, angepasst werden müssen. Osterwalder meint, dass der Geschäftsmodellansatz den Businessplanansatz in den nächsten fünf bis zehn Jahren ersetzen wird. Ich denke, er liegt da nicht ganz unrichtig.

Tattoos sind dauerhaft. Businesspläne nicht. © Tony Alter, Flickr

 

#3: Ein Businessplan garantiert kein funktionierendes Geschäftsmodell.

Fakt ist: Einen Businessplan zu schreiben, nimmt vielen Gründern gleich zu Beginn recht viel Zeit, die ihnen beim Testen ihres Marktes fehlt. Und dass man mit einem blank polierten Businessplan auch ein funktionierendes Geschäftsmodell aufgestellt hat, ist absolut nicht garantiert. Schlimmer noch: Finden sich Unklarheiten oder Fehler im Geschäftsmodell, oder ändert überhaupt das gesamte Modell (Stichwort Pivot), dann ist der alte Businessplan ein Fall für den Mülleimer.

Das ist ja der Trugschluss: Auch gewonnene Businessplan-Wettbewerbe machen aus einer tollen Idee kein funktionierendes Geschäftsmodell. Ob das Geschäftsmodell in der Praxis profitabel ist, findet man nur heraus, indem man es auch in der Praxis anwendet. Ein Test der Idee am Markt ist essenziell. Statt Planen bis zum Umfallen sollte man vielleicht doch eher auf Planen und gleichzeitiges Umsetzen setzen.

Umfangreiche Planung – doch steht das Geschäftsmodell im Mittelpunkt? © pixabay.com

 

Alternative: das Business Model

Ein verschriftlichter Plan bringt Struktur in deine Geschäftsidee und vermeidet somit auch, dass man bei der Geschäftsentwicklung keine klare Linie mehr verfolgt. Für diese Schritte ist meiner Meinung nach ein Geschäftsmodellplan oder Business Model (mit den Infos aus dem Business Model Canvas) und ein angehängter Finanzplan sinnvoll:

  1. Dieser Geschäftsmodellplan ist wesentlich flexibler, was die Änderung von Annahmen betrifft.
  2. Er spart den Gründern wesentliche Zeit, die sie beim Testen ihres Marktes benötigen.
  3. Statt einer durchgetakteten To-Do-Liste nutzt man ein Tool, mit dem man wesentlich besser und flexibler auf das Marktgeschehen reagieren kann.

 

Wer also sein Geschäftsmodell in kurzer Form niederschreiben möchte, ohne einen Businessplan zu schreiben, schaut sich am besten den Business Model Canvas und den Value Proposition Canvas an. Oder du richtest dich nach dem Schema Build-Measure-Learn aus der Lean Startup-Methodik. Diese sehen wir uns in einem späteren Blogartikel an.

Der Business Model Canvas macht die Planung flexibler. © Steven Zwerink, Flickr

 

Warum ein Businessplan manchmal trotzdem sinnvoll sein kann

Auch wenn der Titel bewusst provokant formuliert ist: Dieser Blogbeitrag richtet sich nicht generell gegen die Erstellung eines Businessplans. Viel mehr möchte ich die Frage stellen: Ist das Schreiben eines Businessplans wirklich alternativlos? Und gibt es andere Denk- und Zugangsweisen?

Ich denke, wir sind uns einig darin, dass ein Unternehmen ohne funktionierende Planung nicht klappt. Daher muss man unterscheiden Unterschied zwischen einem Businessplan und darin, ein Unternehmen zu planen. Orientierungslosigkeit ist jedenfalls schlimmer als möglicherweise vergeudete Zeit beim Schreiben des Businessplans. Ansonsten hätte ich ja auch nicht all die Artikel zur Marktanalyse, zum Marketingplan oder zum Finanzplan verfasst, oder?

Was all die oben genannten drei Punkte eint, die gegen einen Businessplan sprechen, sind einfach die fehlende Flexibilität und 50-Seiten-Informationspakete, die schlicht zu umfangreich für ein Startup sind. Gerade bei kleinen Projekten wirkt es geradezu abstrus, sich durch diese Litanei wälzen zu müssen. Der Planungsprozess als solches ist wichtig, der Fokus sollte jedoch auf dem Geschäftsmodell liegen.

Wer einen Businessplan für Fremdkapitalgeber verfassen muss, kann sich recht gut am Leitfaden zur Businessplanerstellung von i2b orientieren. Und wenn du deinen Businessplan auf einem Bierdeckel unterbringen kannst, ist das noch idealer.

 

Businessplan vs. Business Model?

Natürlich ergibt es einen Sinn, wenn du deine Ideen vertiefst, indem du den Arbeitsprozess schriftlich niederhältst. Schließlich sollen ja Außenstehende wissen, was sich in deinem Kopf abspielt, welche Visionen du hast und welchen Weg du zukünftig beschreiten möchtest. Doch es gibt meiner Meinung nach effizientere Art und Weisen, dieses Problem zu lösen.

Fassen wir die Vorteile von Business Model und Businessplan also zusammen:

Das Business Model hilft: 

  • eine Idee kundenorientiert und flexibel zu entwickeln
  • die Machbarkeit einer Idee schnell zu prüfen
  • durch die einfache Visualisierung das Geschäftsmodell Mitstreitern, Partnern und Kunden ansehnlich zu präsentieren.

 

Der Businessplan hingegen hilft dabei: 

  • eine Geschäftsidee ganzheitlich zu denken
  • sie mit Zahlen und Fakten zu unterfüttern
  • Kredit- und Fremdkapitalgeber zu überzeugen.

 

Abschließend muss ich feststellen, dass ein Businessplan an mancher Stelle notwendig sein kann, aber nicht muss. Ich bin der Überzeugung, dass der Businessplan mittelfristig und in der heutigen Form jedoch an Bedeutung verlieren wird. Was nämlich an einer Geschäftsidee interessiert, sind die Personen hinter die Idee, eine gute Umsetzung des Geschäftsmodells und strategische Planung – und das vielleicht auch ohne Businessplan.

 

Bilder: Sebastien Wiertz (Own Work, Not Changed) [CC BY 2.0 via Flickr CC], Tony Alter (Own Work, Not Changed) [CC BY 2.0 via Flickr CC], Steven Zwerink (Own Work, Not Changed) [CC BY-SA 2.0 via Flickr CC], wokandapix @ pixabay.com.